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Arbeitskreis: Mathematiklehren und -lernen in Ungarn

Gabriella Ambrus und Johann Sjuts

Erneut konnte sich der GDM-Arbeitskreis „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“ nur im Online-Format treffen. An der 6. Herbsttagung am 1. und 2. Oktober 2021 nahmen 22 Personen aus 7 Ländern teil. Im Mittelpunkt stand das Thema „Talentförderung in Mathematik“. Wie stets auf den Arbeitskreistagungen gab es neben den angemeldeten Vorträgen auch die Möglichkeit, andere relevante Themen zu besprechen oder sich in kurzen Gesprächen auszutauschen (nur nicht in gewohnter Weise bei einem guten starken ungarischen Kaffee).

  1. Eröffnung (Péter Simon und Ödön Vancsó, Budapest) und Einführung (Gabriella Ambrus, Budapest)

Professor Péter Simon, der Direktor des Instituts für Mathematik an der Eötvös Loránd Universität Budapest, und Ödön Vancsó, der Leiter des Mathematikdidaktischen Zentrums, begrüßten die Online-Beteiligten in der Ferne. Eine Einführung in die Tagung gab Gabriella Ambrus als Sprecherin des Arbeitskreises. Die eingeblendeten Fotos von der durch die ungarische Hauptstadt fließenden Donau ließen zumindest das Gefühl aufkommen, als sei man – wie sonst üblich – in Budapest.

  1. Bericht über das neue Projekt „Geleitet-entdeckendes Lernen im Mathematikunterricht“ (Ödön Vancsó, Budapest)

Innovationen durch Reformprojekte gehören zur ungarischen Tradition in der Schulmathematik. So entsteht nun auf der Basis vorheriger Projekte das neue Projekt „Geleitet-entdeckendes Lernen im Mathematikunterricht“ (engl. „Guided Discovery Learning in Mathematics Education“). Es ist angesiedelt an der Eötvös Loránd Universität (ung. ELTE = Eötvös Loránd Tudományegyetem) (dort geleitet von Ödön Vancsó) und am Alfréd Rényi Institut für Mathematik an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (ung. MTA = Magyar Tudományos Akadémia) (dort geleitet von Péter Juhász). Das Alfréd Rényi Institut für Mathematik ist das Zentrum der mathematischen Forschung in Ungarn.

Das Projekt hat vielfache Anknüpfungspunkte: Zu nennen sind die Methode des Forschenden Lernens im Mathematikunterricht (Inquiry Based Mathematics Education), die Lajos Pósa Methode (Didactic Engineering) mit Wochenendcamps zur Talentförderung, der auf Hans Freudenthal zurückgehende Ansatz des Realistischen Mathematikunterrichts (Realistic Mathematics Education), die Theorie der didaktischen Situationen von Guy Brousseau und das Konzept des problemlösenden Mathematikunterrichts nach George Pólya und Alan H. Schoenfeld.

Im Zentrum auch dieses Projekts stehen mathematikdidaktische Forschungen, darunter Fragen zur Lehrplangestaltung und zur Qualifizierung von Mathematiklehrkräften. Das Vorhaben soll sowohl zu schulischen Entwicklungen in Mathematik als auch zu wissenschaftlichen Untersuchungen in der Mathematikdidaktik führen.

Zum Projekt gehört ein ungarisches Team, das sich in einer Arbeitsgruppen-Struktur bestimmten mathematikdidaktischen Fragen widmet (z B. den methodischen Ansätzen des Mathematiklernens, den Sachgebieten Diskrete Mathematik, Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung, dem Einsatz digitaler Medien und Werkzeuge im Mathematikunterricht, der Geschichte der Mathematikdidaktik, der Analyse und Implementierung der Pósa-Methode). Mitwirkende an der Forschung kommen aus Österreich, Deutschland, Schweden, Finnland, Spanien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden.

Geplant ist zudem, die Institutionen der ungarischen Minderheiten in Rumänien, in der Slowakei, in der Ukraine, in Kroatien, in Serbien und in Slowenien einzubeziehen.

Die Ergebnisse des Projekts sollen auf internationalen Tagungen – beispielsweise auf dem von der Eötvös Loránd Universität Budapest organisierten Congress of the European Society for Research in Mathematics Education (CERME) vom 31. Januar bis zum 4. Februar 2023 – präsentiert und in verschiedenen Zeitschriften und Büchern (Springer) publiziert werden.

  1. „Algorithmisches Denken in der Talentförderung“ (Karl Josef Fuchs, Salzburg, und Ján Gunčaga, Bratislava)

Abstract: Im ersten Teil des Beitrags wird die Bedeutung des Algorithmischen Denkens unter Beiziehung aktueller fachdidaktischer Publikationen als Fundamentale Idee diskutiert. Den Hauptteil des Beitrags bilden ausgewählte Beispiele im Kontext von Wettbewerben und Pluskursen, die als prototypisch für Algorithmisches Denken analysiert und präsentiert werden.

Die Beispiele aus einem aussetzenden fächerübergeifenden Unterricht sind den internationalen Wettbewerben Känguru der Mathematik, Biber der Informatik, Internationale Olympiade für Informatik (IOI) sowie dem Pluskurs Dynamische Systeme im Bereich der Bildungsdirektion für Salzburg entnommen. Den Abschluss des Beitrags bilden eine kurze Zusammenfassung und Bewertung des Aufgabenblocks.

  1. „Developing abstract thinking in talent management“ (Katalin Fried, Budapest)

Abstract: Talent management is a multi-component process that includes (among others) talent recognition, talent development, talent management, and even providing independence. Each of these requires both time and energy. We know, however, that the lack of talent can be compensated with diligence in long term. Therefore, we cannot afford to devote our energies to the talented taking only 1 or 2% of population, while releasing the hands of others.

Another type of talent management is developing children who do not show a sign of talent (or not right away from the beginning) but are persistent and happy to work. We can also succeed with them. But how do you make a talent out of someone? (See the Polgár sisters.)

One of the key steps in mathematics talent management is to develop abstraction skills. We show an example, how the need for abstraction can be developped.

  1. „Talentförderung in Mathematik: Wettbewerbe und mehr – was eine Schule organisieren kann“ (Johann Sjuts, Osnabrück)

Abstract: Talentierte und interessierte Kinder und Jugendliche über den Unterricht hinaus in Mathematik zu fördern, ist eine wesentliche Aufgabe von Schule. Dabei gehören Breiten- und Spitzenförderung zusammen. Der Beitrag gibt einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten, die eine Schule anbieten kann: Wettbewerbe, Arbeitsgemeinschaften, Schnupperstudien und Aktionen in der Öffentlichkeit. So sind Erfolge von bemerkenswerter Reichweite und Nachhaltigkeit erreichbar

  1. „Die Einführung realistischer Aufgaben in den Mathematikunterricht im Themenkreis der Trigonometrie“ (Emese Kása, Debrecen)

Abstract: Die Hauptfrage der Untersuchung war, wie die Einführung realistischer Mathematikaufgaben im Themenkreis der Trigonometrie auf die Leistung der Schüler wirkt, ob diese motivierter werden oder ihre Ergebnisse besser werden. Außerdem galt es zu erfahren, wie der Online-Unterricht die Motivation der Schüler beeinflusst hat, ob es sich lohnt, diese Art der Aufgaben während des Online-Unterrichts zu üben.

In der Forschung wurde mit einer Gruppe von 14 Schülern gearbeitet, die die elfte Klasse besuchten. Die meisten Schüler aus der Gruppe gaben an, nicht Mathematik studieren zu wollen. Die realistischen Aufgaben wurden in den Stunden zu den Sinus- und Kosinussätzen eingeführt. Die Schüler haben in dieser Zeit online gelernt. Die Gruppe hat einen Vortest zu Inhalten aus der Trigonometrie, die sie in ihrem letzten Schuljahr gelernt hatten, geschrieben. Sie haben diese auch während des Online-Unterrichts gelernt. Dann haben sie mehrere Tests geschrieben, die ausgewertet wurden. Am Ende des Themenkreises haben sie auch einen Nachtest geschrieben, dessen Ergebnisse mit den Ergebnissen des Vortests verglichen wurden. Außerdem wurden die Leistungen von vier Schülern analysiert, die während der Forschung fleißig gearbeitet haben. Die Schüler haben auch einen Fragebogen ausgefüllt. So wurde die Meinung der Schüler erhoben, wie ihnen die realistischen Aufgaben gefallen haben und was sie über den Online-Unterricht denken.

Der Vortrag stellt die Ergebnisse der Aufgaben und des Fragebogens dar: Trotz des Online-Unterrichts hat sich die Leistung der Schüler verbessert, wenn sie realistische Aufgaben geübt haben. Und sie haben in dem Fragebogen diesen Aufgabentyp positiv bewertet.

  1. „Lösungen von Lernenden mit starken und mittleren Leistungen in Mathematik – bei einer geometrischen Beweisaufgabe“ (Gabriella Ambrus, Budapest)

Abstract: Seit einiger Zeit spielen im ungarischen Mathematikunterricht geometrische Beweisaufgaben eine kleinere Rolle als zuvor, obwohl diese Aufgaben besonders geeignet sind für die Entwicklung des mathematischen Denkens und des mathematischen Problemlösens. Voneinander zu unterscheiden sind experimentelle Vorgehensweisen (die keine Beweise sind) und intuitiv entstandene und formal notierte Vorgehensweisen (die als Beweise gelten).

Die Lernenden können während eines mehrjährigen Prozesses eine Stufe erlangen, auf der sie deduktive Beweise nicht nur verstehen, sondern sogar selbst erstellen können. Bei diesen Beweisen sind die verwendeten Behauptungen eindeutig gegeben bzw. sie folgen aus den Bedingungen oder können aus früher gemachten Beweisen zitiert werden.

Anhand einer konkreten Aufgabe wird untersucht, inwieweit Gymnasiasten – mit verschiedenen mathematischen Leistungen – für eine einfache geometrische Beweisaufgabe korrekte Lösung anfertigen können, nachdem sie sich mit einer „falschen“ Lösung der Aufgabe beschäftigt haben.

  1. Bericht und Aussprache über die Aktivitäten des Arbeitskreises „Mathematiklehren und ‑lernen in Ungarn“ (Gabriella Ambrus, Budapest)

▪ Mathematik hat in Ungarn traditionell eine hohe kulturelle und wissenschaftliche Bedeutung. Mit seinen Aktivitäten in Mathematikdidaktik möchte der Arbeitskreis in sichtbarer Weise dazu beitragen, den Rang der Mathematik in Schulen und Hochschulen aufrechtzuerhalten. Dem dienen die vielfältigen Vorhaben, Veranstaltungen und Veröffentlichungen. Es gilt, möglichst viele namhafte Personen aus verschiedenen Ländern für die internationale Zusammenarbeit in Mathematikdidaktik und damit für länderübergreifende Impulse zu gewinnen.

▪ Ob und wann es zu einer gemeinsamen Tagung der Arbeitskreise „Mathematiklehren und ‑lernen in Ungarn“ und „Problemlösen“ kommt, ist offen.

▪ Für das Sprecherteam werden Gabriella Ambrus und Johann Sjuts wiedergewählt.

  1. Bericht zur Buchreihe „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“ (Johann Sjuts, Osnabrück)

Erschienen sind bisher drei Bände: Band 1 „Auch wenn A falsch ist, kann B wahr sein. Was wir aus Fehlern lernen können. Ervin Deák zu Ehren“ (Hrsg. Éva Vásárhelyi, Johann Sjuts, 2019), Band 2 „Komplexer Mathematikunterricht. Die Ideen von Tamás Varga in aktueller Sicht“ (Hrsg. Gabriella Ambrus, Johann Sjuts, Ödön Vancsó, Éva Vásárhelyi, 2020) und Band 3 „Theoretische und empirische Analysen zum geometrischen Denken“ (Hrsg. Éva Vásárhelyi, Johann Sjuts, 2021).

Demnächst soll der Band 4 „Mathematische Zeitschriften und Wettbewerbe für Kinder und Jugendliche“ (Hrsg. Gabriella Ambrus, Johann Sjuts, Éva Vásárhelyi, 2022) erscheinen. Er widmet sich mehreren mathematischen Schülerzeitschriften, verschiedenen nationalen und internationalen Mathematikwettbewerben sowie weiteren Maßnahmen zur Talentförderung.

Die vorläufigen Arbeitstitel der nächsten Bände lauten: Band 5 „Mathematik und mathematisches Denken“ und Band 6 „Aktuelle Ergebnisse aus der mathematikdidaktischen Forschung“.

Für weitere Informationen stehen Éva Vásárhelyi (E-Mail: vasareva@gmail.com) und Johann Sjuts (E-Mail: sjuts-leer@t-online.de) zur Verfügung.

  1. Sonstiges

Da die nächste GDM-Jahrestagung erst für die Zeit vom 29. August bis zum 2. September 2022 vorgesehen ist und sich der Arbeitskreis dann turnusmäßig trifft, soll die nächste Zusammenkunft des Arbeitskreises – nach jetzigem Planungsstand – als Frühjahrstreffen Ende April 2022 in Budapest (im Hybrid-Format) stattfinden.

 

Gabriella Ambrus, Eötvös Loránd Universität Budapest

E-Mail: ambrus.gabriella@ttk.elte.hu

Johann Sjuts, Universität Osnabrück

E-Mail: sjuts-leer@t-online.de

 

 

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Beitrage zur Tagung 07. – 08. Oktober in Budapest

Hier können Sie die Beitrage in pdf format erhalten.

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Arbeitskreis Ungarn, Budapest, 07. – 08.10.2016

Die zweite Herbsttagung des AK Ungarn fand vom 07. bis 08. Oktober an der ELTE Universität in Budapest mit 19 Teilnehmern aus Ungarn, Deutschland, der Schweiz und der Slovakei statt. Schwerpunkt der diesjährigen Tagung war Problemlösen. Das Programm umfasste ein breites Spektrum an Vorträgen aus dem Bereich der Grundschuldidaktik bis hin zur gymnasialen Lehrerausbildung sowie einen Vortrag über einen Doktorandenkurs an der ELTE Universität in Budapest. Das Vortragsprogramm bestand – der Reihe nach  – aus folgenden Beiträgen:

Sjuts, Johann (Osnabrück): „Metakognition beim Lösen mathematischer Probleme“

Beim Bearbeiten von Aufgaben und beim Lösen von Problemen in Mathematik ist Metakognition von hoher Bedeutung. Geschieht die Selbststeuerung bewusst? Wird die Selbstüberwachung explizit? Die Verschriftlichung des eigenen Denkens gilt dazu als probate Methode. Der Vortrag widmet sich der Frage, inwieweit die Darstellungen einen Einblick in die Stufen des Problemverstehens, der Strategieentwicklung, der Ausführung und der Rückschau ermöglichen.

Vancsó, Ödön (Budapest): „Unterschiedliche Wurzel des Wahrscheinlichkeitsbegriffs komplex behandelt“

Im Vortrag werden mittels eines medizinischen Beispiels (Viren-Test) die drei verschiedenen begrifflichen Wurzeln der Wahrscheinlichkeit (statistischer, klassischer und subjektiver Zugang) aufgezeigt. Die didaktische Analyse der Situation dient der Erklärung  der verschiedenen Wahrscheinlichkeitsbegriffe und ihrer Beziehungen zueinander.

Vargyas, Emese (Mainz): „Heuristik im Mathematikunterricht“

Pólya spricht im Zusammenhang mit dem Lösen von Aufgaben von einer „praktischen Kunst“, vergleichbar dem Schwimmen, die sich „nur durch Nachahmung und Übung erlernen“ lässt. In diesem Sinne stellt der Vortrag anhand einer Aufgabe aus dem Bereich der Schulmathematik die vier Stadien des Problemlösens nach Pólya dar. Die dabei vorgestellten Heurismen sollen die Problemlösekompetenz der Schüler und Schülerinnen fördern.

Herendiné-Kónya, Eszter (Debrecen) – Kovács, Zoltán (Debrecen/Nyíregyháza): „Can teacher trainees use inductive arguments?”

The Hungarian curriculum for mathematics teachers’ training (2013) specializes a Problem Solving Seminar aims to teach heuristic strategies. This fact motivated our research focusing on problem solving competency of teacher trainees. In the preliminary phase some nodes of research crystallized, such as students’ inductive reasoning abilities, proving facilities, relationship between problem solving and problem posing, and impact of ICT tools. In this talk we deal with some aspects of inductive reasoning.

We summarize the results of a diagnostic survey. We choose a problem which could be solved through inductive reasoning, and analyzed problem solving process of 93 students. Our primary interest was how students apply general phases of inductive reasoning, if they use it at all; that is how they conclude general statements after pattern recognition, and whether they closure it deductively or not. We investigated bias and errors appeared in this process also.

Csapodi, Csaba (Budapest) – Filler, Andreas (Berlin): “How much knowledge students need for the high school final exams in mathematics? A comparison between Hungary and Germany”

The aim of this study is to compare the final exams in mathematics in Hungary and Germany (exemplified by the federal state Berlin). Both the high school curricula and the examination systems in these two countries vary considerably. Therefore we have to consider not only the “level” of mathematical knowledge which is needed to pass the exams but also the wideness of knowledge and skills which students need and the “predictability” of the examination tasks.

We take these influencing factors into account by analyzing Hungarian and German examination assignments during the last five years especially in the fields of non-linear equations, functions and analysis. As a result we can identify significant differences in the conceptions of teaching mathematics and in the expectations towards the students.

Fried, Katalin (Budapest) – Korándi, József (Budapest): “Some experiences according the problem solving course”

Besides technical skills, problem solving requires thinking skills as well, which (just like technical skills) one has to acquire. We are going to introduce three situations, when this might happen.

  1. Just because the solution cannot be improved, it does not mean that we have reached the best possible solution.
  2. Similar problems, different ways of solving them.
  3. Different problems, similar ways for solving them.

Schnepel, Susanne (Zürich): „Wer unterrichtet inklusiv in Mathematik?“

In der Schweizer Unterrichtsstudie „Soutenir l’integration – Integration unterstützen“, in der ein Konzept zum inklusiven Mathematikunterricht erprobt wurde, haben die SonderpädagogInnen angegeben, ob ihnen die Verknüpfung der sonderpädagogischen Förderung mit dem Klassenunterricht gelingt. Untersucht wurde, welche Bedingungen oder Variablen dazu führen, dass der Unterricht als inklusiv eingeschätzt wird. Es zeigte sich, dass SonderpädagogInnen mit hohem fach- und fachdidaktischen Wissen ihren Unterricht eher als inklusiv beschreiben. Keinen signifikanten Einfluss haben hingegen die Leistungen der integrierten Schülerinnen und Schüler, die Stundenzahl, die die SonderpädagogInnen im Mathematikunterricht anwesend sind oder die Einstellung der Klassenlehrperson zur Integration von Lernenden mit intellektueller Beeinträchtigung.

Diese Ergebnisse stimmen nicht ganz mit den Ergebnissen von Pool Maag & Moser Opitz (2014) überein, die in einer explorativen Studie festgestellt haben, dass inklusiver Unterricht schwieriger zu realisieren ist, wenn der Leistungsrückstand der integrierten Kinder besonders gross ist. Wenn die Sonderpädagoginnen viele Stunden (10 bis 15 Stunden pro Woche) in der Klasse sind, wird enger mit der Klassenlehrperson zusammengearbeitet und eher inklusiv unterrichtet.

Stehen der Sonderpädagogin nur wenige Stunden zur Verfügung, werden Kinder mit intellektueller Beeinträchtigung meistens in einem anderen Raum einzeln oder in einer Kleingruppe unterrichtet und es findet kaum inklusiver Unterricht statt. Ausserdem lässt sich vermuten, dass die Einstellung der Klassenlehrperson eine Rolle spielt. Ist sie der Inklusion gegenüber positiv eingestellt, wird sie eher versuchen, alle Kinder in ihren Unterricht einzubeziehen, als wenn sie der Inklusion gegenüber negativ eingestellt ist.

Karpinski-Siebold, Nadja (Halle) – Fritzlar, Torsten (Halle): „Zum Umgang mit Unbekannten in Sachsituationen – eine Interviewstudie“

Das Umgehen mit Unbekannten ist eine Komponente algebraischen Denkens, die zumindest für jüngere Schülerinnen und Schüler sehr anspruchsvoll ist. Die Auseinandersetzung mit mathematischen Problemstellungen zu unbekannten Anzahlen kann daher als eine Schnittstelle von Problemlösen und algebraischem Denken angesehen werden.

Im Vortrag wird eine Studie vorgestellt, mit der erkundet werden soll, wie Schülerinnen und Schüler der vierten und fünften Jahrgangsstufe derartige Problemstellungen bearbeiten: Welche Repräsentationen werden genutzt? Welche Strategien lassen sich erkennen? …

Gunčaga, Ján (Ružomberok): „Einige historische mathematische Lehrbücher als die Quelle der Motivation im Mathematikunterricht“

Didaktik der Mathematik ist ein spezifischer Wissenschafts- und Untersuchungsbereich, der sich mit gegebenen und aktuellen Fragen des Mathematikunterrichts, mit dem Verstehen, dem Definieren und Charakterisieren mathematischer Begriffe im Unterricht beschäftigt. Historische Lehrbücher bieten viele interessante Materialien für verstehensorientiertes Lernen. Man kann darin schöne lokale und universale Modelle für den Aufbau mathematischer Begriffe finden, die aus der Umgebung der Schüler und ihrer Eltern entstanden sind. In diesem Beitrag werden einige Beispiele dafür vorgestellt.

Kulman, Katalin (Budapest): „Problemlösung in der Grundschule: eine Aufgabe – vielerlei Probleme“

Wie kann man die Mathematikstunde mit einer einzigen Aufgabe bunt und komplex gestalten? Wie könnte das Spielerische dabei hervorgehoben werden? In diesem Vortrag können die Zuhörer sich ein Bild davon machen, wie man mit der Anwendung verschiedener mathematischer Themen in einer Aufgabe das Interesse von Kleinkindern für die Mathematik erwecken kann. Mit einer Aufgabe und den dazugehörenden verschiedenen Problemen samt Lösungen können die LehrerInnen sowohl die früheren Kenntnisse auffrischen, als auch die in der Zukunft zu erlernenden Kenntnisse begründen.

Deák, Ervin (Budapest): „Über eine konkrete Realisierung einer Modifizierung der Toeplitzschen „direkt-genetischen Methode” auf dem Gebiet der Differentialrechnung“

  1. Der Tangentenbegriff gehört zu den am meisten vernachlässigten Themen im Mathematikunterricht. Der begriffliche Wirrwarr wurzelt in der griechischen Mathematik. In den Elementen Euklids taucht im elementargeometrischen Kontext der Kreistangente immerhin ein Archetyp der Idee der Besten Linea­ren Approximation auf, der sehr wohl zu einem der Ausgangspunkte einer längeren, didaktisch aber auch mathematisch anspruchsvollen Propädeutik der Differentialrechnung gemacht werden kann.
  2. Ein anderer Grundgedanke hat ebenfalls einen geschichtlichen Hintergrund; es handelt sich um ein Ele­ment der Konzeption Lagranges zur „Algebraisierung der Analysis”. (Durch Anwendung auf Polynome anstelle von Potenzreihen wird es weitgehend elementarisiert und als Leitgedanke der Differentialrech­nung im Bereich der Polynomfunktionen − aber auch als Zwischenstation auf dem Weg des Konvergenz­denkens im Allgemeinen − verwertet.)
  3. Diese und einige weitere Prinzipien sind die Grundpfeiler jener sehr unkonventionellen Einführung in die Differentialrechnung, die im zweiten Semester als Doktorandenkurs realisiert werden soll. Es handelt sich eigentlich um eine Verwirklichung der Toeplitzschen Idee „indirekt-genetischer Mathematikunter­richt” an einem konkreten Gegenstand, wobei dieser Idee selbst − die ja von O. Toeplitz nur etwas ver­schwommen beschrieben wurde − ein fest umrissener, zum Teil ungewöhnlich neuer Inhalt verliehen wird. (Dieses abgeänderte Grundprinzip soll in einigen weiteren Kursen auch auf andere Themen zuge­schnitten realisiert werden.)

Horváth, Ferenc (Budapest): „ Qualifizierung der Lehrkräfte in Ungarn“

LLL Lebenslanges Lernen auch in Ungarn? Was hat sich mit dem eben eingeführten „Lebensbahnmodell“ geändert? Lehren die Pädagogen in Ungarn besser als bevor? Wie kann man die Pädagogen motivieren? Werden die Pädagogen besser nach der Qualifizierung? Ist sie unbedingt nützlich und nötig? Wie ändert sich Qualifizierung? Auf solche Fragen versucht der Vortrag Antworten zu finden. Seit 2015 arbeitet der Vortragende als Qualifizierer in Ungarn, er hat schon mehrere Qualifizierungen miterlebt. Seine Erfahrungen und Gedanken teilt er in seinem Vortrag mit den Zuhörern.

 

 

Am Freitagabend hatten wir ein gemeinsames Abendessen in einem Schiffsrestaurant auf der Donau, und ein weiterer Tagungsordnungspunkt war die am Samstag stattfindende Sitzung des Arbeitskreises.

Dabei wurde Frau Gabriella Ambrus als erste Sprecherin des Arbeitskreises wiedergewählt. Frau Ambrus präsentierte auf der Sitzung einen kurzen Rückblick über die bisherigen Aktivitäten. Mit Freude hat sie das Erscheinen des Tagungsbandes 2015 verkündet. Ein herzlicher Dank geht dabei an Frau Éva Vásárhelyi, die die Herausgabe koordiniert hat und die Koordinationsarbeit auch für den Tagungsband 2016 übernimmt. Zukünftig sollen die Beiträge nicht nur als Band, sondern auch einzeln zur Verfügung stehen. Eine erfreuliche Nachricht war auch die Erweiterung des Arbeitskreises durch weitere Teilnehmer aus Ungarn und der Slowakei. Auf der GDM-Jahrestagung 2017 in Potsdam ist ein neues Treffen geplant. Die nächste Herbsttagung wird voraussichtlich Ende August/Anfang September 2017 stattfinden, da die nächste ProMath-Tagung auch um diese Zeit in Ungarn stattfinden wird, und eine gemeinsame Tagung mit ProMath geplant ist. Einzelheiten dazu werden noch bekannt gegeben.

Im Rückblick kann man sagen, dass es eine sehr bereichernde und gelungene Tagung war, deswegen vielen Dank an die Organisatoren!

Die Erweiterung des Arbeitskreises bleibt auch zukünftig ein Ziel, deswegen sind alle Interessierten als weitere Mitglieder herzlich willkommen. Weitere Informationen zum Arbeitskreis können im Internet unter der Adresse http://gdm.elte.hu  abgerufen werden.

Emese Vargyas, Mainz

 

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Sitzung „Arbeitskreis Ungarn” am 10.03.2016, während der 50. Jahrestagung der GDM in Heidelberg

Gabriella Ambrus

An der Sitzung des Arbeitskreises unser Hauptthema war die Lehrerausbildung in Ungarn. Ödön Vancsó, der Leiter des Mathematikdidaktischen Zentrums an der Unversität ELTE hat einen Vortrag gehalten wo er zuerst ein Übersicht gab über die „Vorgeschichte der Lehrerausbildung, danach sprach er über das neue Struktur.

Zur Zeit gibt es eine zweistufige Lehrerausbildung in Ungarn: nach einer gemeinsamen Bildung von 3 Jahren die künftige Lehrer haben noch ein Ausbildungsjahr wenn sie ab 5-10 Klassen unterrichten möchten, und noch weiteren zwei Jahren wenn aber ab 5-12 Klassen. In beiden Varianten der Ausbildung gibt es neben den Fachdidaktischen Seminaren auch ein kurzes und ein längeres Schulpraktikum. Das Kurze während der 4 bzw., 5 Jahren des Studiums, das Längere, von einem Mentorlehrer betreut folgt erst nach dieser Studiumzeit, und dauert eine Jahre. Es gibt noch keine wirkliche Erfahrungen mit dem neuen Ausbildungsform, da es läuft seit drei Jahren; so nächstes Jahr kommt es erst zu den „getrennten” Studiumjahren- dann wird es auch relisierbar wieviele Studenten welche Ausbildungsform wählen. Es ist aber schon jetzt sichtbar, dass die Anzahl der Lehramtstudenten mit der Einführung der neuen Ausbildungsmethode beträchtlich zugenommen hat, was gewiss die Tatsache unterstützt hat, dass die Studenten ein neu eingeführtes, nach Fächer differenziertes Stipendium auch bekommen.

Schon während des Vortrages gab es viele Fragen und für die nächste Tagung im Herbst ist auch ein Vortrag vorgesehen über die neue ungarische Evaluation der Lehrerarbeit.

In der Sitzung haben drei österreichische Kollegen auch teilgenommen. Sie haben den Wunsch geäußert in der Zukunft eine gemeinsame Sitzung zu organisieren mit dem „Arbeitskreis Mathematikunterricht und Mathematikdidaktik in Österrich”. Diese Gedanke war von den Teilnehmer der Sitzung unterstützt und wird noch an der Sitzung des österreichischen Arbeitskreises auch besprochen. Gemeinsames Thema könnte die Ausbildung (?) von der Grundschule bis Abitur sein. Die Organisation wirft auch mehrere eher finanzielle Fragen auf, die noch erörtert werden müssen.
Ebenso gibt eine weitere Interesse für eine gemeinsame Sitzung von der Seite des Arbeitskreises Problemlösen, wie es in einem persönlichem Gespräch Benjamin Rott mit Gabriella Ambrus erwähnt hat. Es ist erfreulich, und kann hoffentlich in den nächsten Jahren eingeplant werden.

Als mögliches Termin für die Herbsttagung des Arbeitskreises wurde zwei Möglichkeiten vorgeschlagen: 30.09.-01.10. 2016, und 07.10.-08.10. 2016, in Budapest, an der Universitat ELTE, wie voriges Jahr. Da im Österreich eben am 01.10. beginnt das neue Semester, das zweite Termin scheint zur Zeit mehr angepasst zu sein. Als Themen wurden Problemlösen und die schon erwähnte neue Evaluation der Lehrer vorgeschlagen- für weiter Vorschläge sind wir noch offen.

Es wurden noch weitere aktuelle Fragen besprochen, darunter die Lage des Tagungsbandes die über die Vorträge des Herbsttagunges 2015 geplant ist. Leider gibt es noch immer fehlende Texte bzw. Rückmeldungen von den Teilnehmer. Die Ausgabe des Tagungsbandes ist von Éva Vásárhelyi betreut.

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