Frühjahrstreffen im Rahmen des GDM-Monats 2021

und weitere Nachrichten

Aufgrund der Corona-Pandemie konnte auch das Frühjahrstreffen 2021 des GDM-
Arbeitskreises „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“ nicht als Präsenzveranstaltung

stattfinden. Gleichwohl war es im Rahmen des GDM-Monats März 2021 möglich, sich im
Online-Format auszutauschen. Dies geschah am 2. März 2021 (16.00 Uhr bis 18.15 Uhr).
Zugeschaltet waren 15 Kolleginnen und Kollegen aus Budapest, Bratislava, Salzburg, Wien,
Freiburg, Jena, Köln, Mainz und Osnabrück.
1. Bericht zu den Aktivitäten des Arbeitskreises „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“
(Gabriella Ambrus)
Ziele des Arbeitskreises sind a) die Stärkung der Mathematikdidaktik als eigenständige
Wissenschaft in Ungarn durch den inspirativen Austausch über Grenzen hinweg, b) die
Erarbeitung von Konzepten zur Verbesserung des Mathematikunterrichts in Ungarn, c) die
Förderung von nationaler und internationaler Zusammenarbeit in der Mathematikdidaktik, d)
die Unterstützung von Promotionsvorhaben und Forschungskooperationen, e) die
Intensivierung von Publikationen im internationalen Verbund (Ungarn, Deutschland,
Österreich, Schweiz, Slowakei, Polen u. a.).
Mathematik hat in Ungarn traditionell eine hohe kulturelle und wissenschaftliche Bedeutung.
Der Arbeitskreis liefert mit seinen vielfältigen Aktivitäten wie Studienprojekten,
Kooperationen, Tagungen und Publikationen zukunftsweisende Impulse.
Der Arbeitskreis trifft sich zweimal jährlich, im Frühjahr auf der GDM-Jahrestagung und im
Herbst zu einer eigenen Arbeitskreis-Tagung in Budapest.
Im Jahr 2020 gab es nur Online-Treffen. Zusätzlich hat der Arbeitskreis „Mathematiklehren
und -lernen in Ungarn“ sich auf der 7. Herbsttagung (online) des Arbeitskreises „Problemlösen“
am 7. und 8. Oktober 2020 präsentiert, die Einladung zu einer gemeinsamen Herbsttagung in
Budapest erneuert und über die internationale Konferenz „Varga 100“ vom November 2019 in
Budapest berichtet (Zsuzsanna Jánvári).
Sprecherin des Arbeitskreises ist seit 2015 Gabriella Ambrus, seit 2019 besteht ein
Sprecherteam aus Gabriella Ambrus und Johann Sjuts.
2. Bericht zu den Publikationen des Arbeitskreises „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“
(Johann Sjuts)
a) Über die Aktivitäten des Arbeitskreises „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“ finden
sich regelmäßige Berichte in den GDM-Mitteilungen.
b) Von den Herbsttreffen in Budapest liegen mehrere Ausgaben der Beiträge zur Tagung des
GDM-Arbeitskreises „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“ vor.
c) Seit 2019 existiert die Buchreihe „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“ beim Verlag
für wissenschaftliche Texte und Medien (WTM) Münster. Erschienen sind bisher drei Bände:
Band 1 „Auch wenn A falsch ist, kann B wahr sein. Was wir aus Fehlern lernen können. Ervin
Deák zu Ehren“ (Hrsg. Éva Vásárhelyi, Johann Sjuts, 2019), Band 2 „Komplexer
Mathematikunterricht. Die Ideen von Tamás Varga in aktueller Sicht“ (Hrsg. Gabriella
Ambrus, Johann Sjuts, Ödön Vancsó, Éva Vásárhelyi, 2020) und Band 3 „Theoretische und
empirische Analysen zum geometrischen Denken“ (Hrsg. Éva Vásárhelyi, Johann Sjuts, 2021).
Als Logo der Buchreihe dient der Gömböc. Mit dem Gömböc fanden die ungarischen
Ingenieure, Mathematiker und Informatiker Gábor Domokos und Péter Várkonyi im Jahr 2006
einen konvexen homogenen dreidimensionalen Körper mit der Eigenschaft, bloß zwei

Gleichgewichtslagen – eine stabile und eine labile – zu haben. Band 3 enthält ein Gespräch mit
den beiden Erfindern. Ebenso wie der Gömböc gilt auch das Szilassi-Polyeder als sichtbares
Zeichen herausragender mathematischer Leistungen in Ungarn. Der im Jahr 1977 von Lajos
Szilassi gefundene und nach ihm benannte Körper ist ein nicht-konvexes Polyeder mit einem
Loch und sieben hexagonalen Seiten, wobei jeweils zwei Seiten eine gemeinsame Kante haben.
Das Szilassi-Polyeder hat 21 Kanten und 14 Ecken. Auch Lajos Szilassi kommt in dem Band 3
mit einem eindrucksvollen Bericht über die Entstehungsgeschichte zu Wort.
Der Band 3 widmet sich neuen Ansätzen zur Geometrie in der Schulmathematik. Mehr als 20
theoretische und empirische Analysen gehen der Frage nach, inwieweit diese Ansätze zum
geometrischen Denken beitragen.
Für das Jahr 2022 ist der Band 4 „Mathematische Zeitschriften und Wettbewerbe für Kinder
und Jugendliche“ geplant. Am 1. Januar 1894 wurde in Ungarn die Schülerzeitschrift KöMaL
(Középiskolai Matematikai Lapok, dt.: Mathematische Blätter für Mittelschulen) ins Leben
gerufen. Die Herausgabe einer Schülerzeitschrift in Mathematik in Verbindung mit einem
Mathematikwettbewerb kann als Pionierleistung für eine früh beginnende, gezielte und
niveauvolle Förderung von Kindern und Jugendlichen in Mathematik gelten. Der Band 4
widmet sich mehreren mathematischen Schülerzeitschriften, verschiedenen nationalen und
internationalen Mathematikwettbewerben sowie weiteren Maßnahmen zur Talentförderung.
Beiträge für den Band 4 sollen bis zum 1. Februar 2022 eingereicht werden. Für weitere

Informationen stehen Éva Vásárhelyi (E-Mail: vasareva@gmail.com) und Johann Sjuts (E-
Mail: sjuts-leer@t-online.de) zur Verfügung.

3. Vortrag „Die Methode „Lösungsstufen“ bei der Untersuchung von Schülerlösungen“
(Gabriella Ambrus)
Im Mittelpunkt des Vortrags stehen Lösungs- bzw. Niveaustufen in der Bearbeitung von
offenen und wirklichkeitsnahen Aufgaben. (Genauere Ausführungen enthält der Beitrag
Gabriella Ambrus: Untersuchung von Schülerlösungen mit Hilfe von Lösungsniveaus bei
Textaufgaben mit realitätsnahem Inhalt. In: Ambrus, Gabriella & Sjuts, Johann & Vancsó,
Ödön & Vásárhelyi, Éva (Hrsg.): Komplexer Mathematikunterricht. Die Ideen von Tamás
Varga in aktueller Sicht. Münster 2020, S. 63-78.)
Erläutert werden einige schulische Ergebnisse in Zusammenhang mit der Lösung von solchen
Textaufgaben, die auf realitätsnahen Situationen basieren. Sie sind so formuliert wie
herkömmliche Textaufgaben, die in der Bearbeitung die Angabe einer konkreten Lösung
erwarten. Zugleich ist die Situation offen, die Aufgabe hat von weiteren Bedingungen
abhängige Lösungen. Zur Bewertung der Aufgabenbearbeitungen wird eine
niveauklassifizierende Methode „Lösungsstufen“ verwendet. Diese sieht wie folgt aus:
Stufe 0: Hierzu gehört eine herkömmliche geschlossene Lösung.
Stufe 1: Der Text der Aufgabe wird mit der Wirklichkeit in Zusammenhang gebracht – es wird
mindestens eine genannte oder ungenannte Bedingung berücksichtigt und eine passende
Lösung eventuell teilweise angegeben.
Stufe 2: Es werden Bedingungen formuliert, aber nur teilweise bearbeitet.
Stufe 3: Es werden mehrere Bedingungen aus der Situation analysiert, dazu Lösungen erarbeitet
und diese auch reflektiert (ob sie „real“ und nicht nur „mathematisch“ möglich sind).
Aus der schulischen Erprobung solcher Textaufgaben entstand im Rahmen des didaktischen
Projekts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (siehe 4.) ein Programm zur
Fortbildung von Lehrkräften und zum Einsatz im Unterricht. Das Entwicklungsprojekt führte
zu wichtigen Ergebnissen. Es zeigte sich, dass eine Verbesserung hinsichtlich des

Wahrnehmens der Offenheit solcher Aufgaben möglich ist und dass mit Hilfe der Niveaustufen
eine genauere Einsicht in das Denken von Schülerinnen und Schülern gewonnen werden kann.
4. Vortrag „Was bedeutet der Komplexe Mathematikunterricht heute? Bilanz nach einem
vierjährigen Projekt der Ungarischen Akademie der Wissenschaften“ (Ödön Vancsó)
Eine umfassende Neugestaltung des ungarischen Mathematikunterrichts geht auf Tamás Varga
(1919-1987) zurück. Anlässlich seines 100. Geburtstages fand zur Erinnerung an ihn und seine
Konzeption „Komplexer Mathematikunterricht“ eine internationale Tagung (Connecting
Tamás Varga’s Legacy and Current Research in Mathematics Education) an der Ungarischen
Akademie der Wissenschaften in Budapest statt. (Teilgenommen haben 131 Personen aus 16
europäischen Ländern sowie Australien und den USA. Es gab vier Hauptvorträge, eine
Podiumsdiskussion, 60 Einzelvorträge, 7 Workshops und 11 Poster.)
Die Tagung diente vor allem dem Ziel, Vargas Arbeit in einen internationalen Kontext zu
stellen und die Relevanz für den heutigen Mathematikunterricht aufzuzeigen. Zugleich bot sie
ein Forum für aktuelle internationale Forschung zum Mathematikunterricht in verschiedener
Hinsicht und für die Pflege von Kooperationen und Verbindungen zwischen ungarischer
Forschung in Mathematikdidaktik und internationaler Forschung auf diesem Gebiet.
Wesentliche Ergebnisse liegen in zwei Publikationen vor (beide im Peer-Review-Verfahren
begutachtet), in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Teaching Mathematics and Computer
Science (Debrecen, Ungarn, Hrsg. Eszter Kónya) mit Beiträgen der Konferenz und im Buch
„Komplexer Mathematikunterricht. Die Ideen von Tamás Varga in aktueller Sicht“ mit
Arbeiten, die eng mit Vargas Werk verbunden sind (WTM-Verlag Münster, Deutschland, Hrsg.
Gabriella Ambrus, Johann Sjuts, Ödön Vancsó, Éva Vásárhelyi, 2020). Weitere Informationen
zur Tagung: https://varga100.sciencesconf.org/
Zur Vorbereitung der Tagung Varga 100 – vor allem aber zur neueren Entwicklung des
Mathematikunterrichts in Ungarn im Sinne von Tamás Varga – hat die Ungarische Akademie
der Wissenschaften ein vierjähriges Projekt initiiert (und finanziert), das wegen der Pandemie
um ein weiteres Jahr verlängert worden ist und dann, so ist zu hoffen, in einem vierjährigen
Anschlussprojekt eine Fortsetzung findet. Im Zentrum der Projektarbeit stehen
mathematikdidaktische Forschungen, darunter Fragen zur Lehrplangestaltung und zur
Qualifizierung von Mathematiklehrkräften. Das Vorhaben soll sowohl zu schulischen
Entwicklungen in Mathematik als auch zu wissenschaftlichen Untersuchungen in der
Mathematikdidaktik führen.
5. Vortrag „Digitale Bildung in Zeiten der Corona-Virus-Pandemie“ (Balázs Koren)
Über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Hochschulen und Schulen in Ungarn
berichtet Balázs Koren (der in beiden Systemen tätig ist). Im März 2020 erfolgte
(gewissermaßen übers Wochenende) die Umstellung auf Distanzlehre bzw. -unterricht.
Während die Hochschulen Internet-Plattformen (wie Microsoft Teams, Google Classroom,
Zoom) installierten und die Studierenden über passende Endgeräte verfügten, gestalteten sich
die Lösungsmöglichkeiten an den Schulen deutlich schwieriger. Dort gelang es erst nach und
nach, einen Hybrid-Unterricht mit technischen Mitteln (Boards und Tablets) so zu organisieren,
dass der Unterricht gleichzeitig in der Schule und im Online-Format stattfinden konnte. Im
Herbst 2020 schlossen die meisten Hochschulen und Schulen (Grundschulen ausgenommen)
erneut. Mathematikunterricht erfolgt nun am Bildschirm, wozu auch das Schreiben und
Zeichnen auf dem Screen gehört. Insgesamt wird viel mit digitalen Angeboten (wie etwa
Microsoft Mathematics) experimentiert. Die Herausforderungen sind beträchtlich.
6. Abelpreis für László Lovász

Der Arbeitskreis „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“ in der Gesellschaft für Didaktik
der Mathematik hat dem ungarischen Mathematiker László Lovász zur Verleihung des
Abelpreises 2021 gratuliert. Die internationale Auszeichnung für außergewöhnliche
wissenschaftliche Arbeiten in Mathematik ist eine besondere Würdigung seiner herausragenden
Leistungen und Verdienste in Mathematik und eine große Ehre für die Mathematik in Ungarn.
Der Abelpreis 2021 geht gemeinsam an László Lovász (Ungarn) und Avi Wigderson (Israel)
für ihre Arbeiten in diskreter Mathematik und theoretischer Informatik.
7. Sonstiges
Die Herbsttagung 2021 des GDM-Arbeitskreises „Mathematiklehren und -lernen in Ungarn“
ist für den 1. und 2. Oktober 2021 im digitalen Format geplant. Im Mittelpunkt steht das Thema
„Talentförderung in Mathematik“.

Gabriella Ambrus, Eötvös Loránd Universität Budapest
E-Mail: ambrus.gabriella@ttk.elte.hu
Johann Sjuts, Universität Osnabrück
E-Mail: sjuts-leer@t-online.de

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